Der Dieb in der Kirche
Über Sünde und Versuchung

Abgehetzt und doch verspätet kommt der Ge­legenheitsdieb Ricardo zu der kleinen Kir­che in São Cristovão, wo ihn sein Vater Mes­sias mit einer Ohrfeige empfängt, noch be­vor er dem Pfarrer seine Sünden beichten kann. Ricardo fühlt sich zu Unrecht bestraft, denn die Ver­suchung lauert überall, sogar in der Kirche. Wäh­rend der Pfarrer ein furioses Wort­gewitter auf die kniefälligen Sünder nie­der­gehen läßt, reckt sich vor Ricardos Au­gen ein pralles Hin­terteil aufreizend steil in die Höhe. Ein Gottes­geschenk, was sonst sollte die so kokett aus der Gesäßtasche ra­gende Geldbörse denn sein. Mit einem rou­tinierten Griff sichert sich Ri­car­do das Objekt der Begierde. Nur Gott und der Vater haben den Fehlgriff gesehen. Gott hat beide Augen zugedrückt, aber Messias kennt kein Erbar­men. Erst nimmt er dem Sohn die Beichte und dann auch noch die Beute ab. Trost findet Ricardo ausgerechnet bei sei­nem Opfer.
Da ihm Celia nicht nur schöne Augen macht, sondern auch solche hat, will er sich von sei­ner besten Seite zeigen und ihr bei der Suche nach dem Portemonnaie behilflich sein. Na­tür­lich denkt er nicht ernst­lich da­ran, das Geld zurückzugeben. Daß Celias Vater in Polizei­diens­ten steht, ist eine bei­läu­fige Bemerkung, gleich­sam laut genug, damit sich Ricardo dann doch zu einer guten Tat gezwungen fühlt. Da­zu muß er freilich erst mal seinen Vater über­zeugen. Der sitzt wie üblich in Maximos Bar und müht sich redlich, die Beute in Bier zu ver­wandeln. Dank des Beistands des Pfarrers und dreier Freuden­mädchen ist es ihm bereits gelun­gen, den Bör­sen­in­halt erheblich zu re­du­zie­ren, und wenn­gleich der Pfarrer noch genug Kleingeld im Klingelbeutel hat, sieht Messias keinen An­laß, seinem Sohn die Börse auszu­hän­digen. Erst als Ricardo das Polizei­argu­ment auf­tischt, kann er sich ihr gar nicht eilig genug entledigen. Wieviel die Sauf­brü­der schon ver­soffen ha­ben, ist Ricardo schlei­erhaft. Nach­dem er sich sei­nen Fin­der­lohn (20 R$ hält er für gerade so angemes­sen) ausgezahlt hat, sind jeden­falls nur noch 10 R$ im Porte­mon­naie.
Viel­leicht wäre Celia der Schwund nicht gleich auf­gefallen, hätte Ricardo nicht aus­nahms­wei­se die Wahrheit erzählt. Aber die Ge­schich­te vom saufenden Pfarrer, der sich auf ihre Kos­ten mit Huren vergnügt, nimmt sie ihm beim besten Willen nicht ab. Und wer solche Lügen auf­tischt, braucht sich nicht wundern, für ei­nen Dieb gehalten zu werden. Wem würde ein Polizist wohl mehr Glauben schenken: ei­nem Pfarrer oder ei­nem Dieb? Ce­lia gibt ihm zwölf Stunden Zeit, den Fehl­betrag aus eigener Ta­sche auszugleichen.

Celias Freundin Lene ist weiß Gott kein Ma­the­matikgenie. Deswegen kapiert sie auch nicht ganz, wie sich Celia neue Megahair leis­ten und ihr trotzdem die 50 Real zurück­geben kann, die sie ihr gestern geliehen hat. Wie kam es zu der wundersamen Geld­vermeh­rung, bei der sich 50 R$ über Nacht ver­dop­pelt haben? Und seit wann steht Celias kürz­lich verstorbener Va­ter in Polizei­diensten? Ce­lia wundert sich über Lenes Na­ivität: "Glaubst du etwa, daß ein Lügner und Dieb damit rech­net, daß ihn sein Opfer belügt und bestiehlt?"